Anlässlich des 131. Geburtstages unserer Namenspatronin sowie zum Tag der Menschenrechte, möchten wir an dieser Stelle eines ihrer Gedichte veröffentlichen. In Anbetracht von Flucht, Vertreibung, Rassismus und Ungerechtigkeit spricht dieses Gedicht aus der Seele der Betroffenen.
KOMMT EINER
von ferne
mit einer Sprache
die vielleicht die Laute
verschließt
mit dem Wiehern der Stute
oder dem Piepen
junger Schwarzamseln
oder
auch wie eine knirschende Säge
die alle Nähe zerschneidet –
Kommt einer
von ferne
mit Bewegungen des Hundes
oder
vielleicht der Ratte
und es ist Winter
so kleide ihn warm
kann auch sein
er hat Feuer unter den Sohlen
(vielleicht ritt er
auf einem Meteor)
so schilt ihn nicht
falls dein Teppich durchlöchert schreit –
Ein Fremder hat immer seine Heimat im Arm
wie eine Waise
für die er vielleicht nichts
als ein Grab sucht.
(Nelly Sachs, erschienen vor dem 22.4.1958)
Bildquelle: https://rundfunk.evangelisch.de/kirche-im-radio/deutschlandradio-kultur/feiertag/wo-alle-naechte-sind-wie-ein-feuriger-sinai-6686